Arbeitszimmer sinnvoll wg. Betriebsvermögen?

Ich bin selbständig und hab eine Frage zu ...
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KevinT
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Registriert: 17. Mai 2020, 20:53

Arbeitszimmer sinnvoll wg. Betriebsvermögen?

Beitrag von KevinT »

Hallo,
ich habe im letzten Jahr mit meiner Familie ein Haus gekauft (240m² Wohnfläche). In dem ehemaligen Zweifamilienhaus haben wir die zweite Wohnung komplett für meine freiberufliche Tätigkeit als Chorleiterin und Instrumentallehrerin umgestaltet.
Nun stellen sich mir die Fragen:
1. Was kann ich steuerlich geltend machen?
2. Was sollte ich steuerlich geltend machen?

Da wären:
1) Unterrichtsraum und Büro (23,3 m²) --> Genutzt für den Instrumentalunterricht (Flöte, Klavier, Saxophon, …) und zur Unterrichtsvorbereitung. Dieser Raum wird nicht privat genutzt.

2) Lagerraum (11,1m²) --> Hier werden Unterrichtsmaterialien und Instrumente gelagert. Keine private Nutzung.

3) Flur (5,0m²) --> Verbindet diese Räume miteinander. Hier ist der zweite Hauseingang. Die Schüler kommen hier ins Haus. Nutzung 90% beruflich.

4) Schüler-Toilette (2,8m²) --> Ausschließlich zu erreichen über den Unterrichtsraum. Genutzt von Schülern oder während der Bürozeiten – 90% beruflich.

Ich habe verstanden: Steuerlich geltend gemacht werden können nur Arbeits-Zimmer, also Flur und Toilette schonmal nicht (obwohl fast ausschließlich beruflich genutzt).
Die anderen Räume (34,4m² = 14,3%) müssten anrechenbar sein.
Jetzt habe ich schon mehrfach gelesen, dass das idR nicht sinnvoll ist, da dieser Teil des Hauses dadurch zum Betriebsvermögen wird. Man solle das sogar durch gezielte Privatnutzung verhindern. Problem: Bei Verkauf des Hauses ist der Anteil des Betriebsvermögens als Betriebseinnahme zu versteuern.
Ich frage mich unter welchen Rahmenbedingungen das ggf. doch Sinn macht und wie mit Änderungen im Status umgegangen wird.

Je später der Verkauf, umso größer die Einnahmen, da die Tilgung weiter fortgeschritten ist und die Inflation für steigende Beträge sorgt. Das wichtigste zu betrachtende Szenario ist also der Ruhestand, der Jahre im Voraus geplant werden kann. Ist es möglich die Räume vorher in den Privatbesitz zu überführen?

Wenn ich Räume im Nachbarhaus anmieten würde hätte ich mit der Steuer (und dem Betriebsvermögen) kein Problem – das ist skuril.

Gruß,
Katrin
Severina
Beiträge: 1245
Registriert: 3. Dez 2017, 23:48

Re: Arbeitszimmer sinnvoll wg. Betriebsvermögen?

Beitrag von Severina »

KevinT hat geschrieben: 17. Mai 2020, 21:29
Jetzt habe ich schon mehrfach gelesen, dass das idR nicht sinnvoll ist, da dieser Teil des Hauses dadurch zum Betriebsvermögen wird. Man solle das sogar durch gezielte Privatnutzung verhindern. Problem: Bei Verkauf des Hauses ist der Anteil des Betriebsvermögens als Betriebseinnahme zu versteuern

Das passiert nicht nur beim Verkauf des Hauses, sondern auch bei der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit.

Ich frage mich unter welchen Rahmenbedingungen das ggf. doch Sinn macht und wie mit Änderungen im Status umgegangen wird.

Die Aufnahme ins Betriebsvermögen schafft Betriebsausgaben - ob dies sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab (oft ist es nicht sinnvoll). Was meinen Sie mit 'Status'?

Je später der Verkauf, umso größer die Einnahmen, da die Tilgung weiter fortgeschritten ist und die Inflation für steigende Beträge sorgt. Das wichtigste zu betrachtende Szenario ist also der Ruhestand, der Jahre im Voraus geplant werden kann.

Unter gewissen Voraussetzungen ist die Betriebsaufgabe steuerlich begünstigt - jedenfalls nach aktueller Rechtslage.

Ist es möglich die Räume vorher in den Privatbesitz zu überführen?

Ja. Wenn das nicht im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe passiert, ist das dann aber nicht begünstigt.

Wenn ich Räume im Nachbarhaus anmieten würde hätte ich mit der Steuer (und dem Betriebsvermögen) kein Problem – das ist skuril.

Gruß,
Katrin
Das ist nicht skurril - das hängt damit zusammen, dass einmal Eigentum vorliegt und einmal nicht, das sind einfach unterschiedliche Voraussetzungen.
KevinT
Beiträge: 3
Registriert: 17. Mai 2020, 20:53

Re: Arbeitszimmer sinnvoll wg. Betriebsvermögen?

Beitrag von KevinT »

Hallo Severina,
vielen Dank für die schnelle Antwort.

Severina hat geschrieben: Ich frage mich unter welchen Rahmenbedingungen das ggf. doch Sinn macht und wie mit Änderungen im Status umgegangen wird.

Die Aufnahme ins Betriebsvermögen schafft Betriebsausgaben - ob dies sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab (oft ist es nicht sinnvoll). Was meinen Sie mit 'Status'?
Mit der Statusänderung meine ich die Zurückführung in das private Vermögen. Wie funktioniert das?
Wenn ich mich zu irgend einem Zeitpunk entscheide die Räume wieder privat (mit) zu nutzen muss ich diese Umschreibung dann als Einkommen in meinem Privatvermögen versteuern? Welcher Wert wird hierbei für das Haus angesetzt? Sollte die Tilgung noch nicht abgeschlossen sein wird vermutlich auch nur der bereits getilgte Teil angerechnet. Sollte die Zurückführung im Rentenalter meines Mannes und bei reduzierter Arbeitskraft von mir passieren (also, wenn wir ein deutlich reduziertes Einkommen haben, dann fällt das u.U. nicht so stark ins Gewicht, wie die Tilgungskosten heute - oder? Lässt sich die Umschreibung ggf. über mehrere Jahre ausdehnen?

Severina hat geschrieben: Wenn ich Räume im Nachbarhaus anmieten würde hätte ich mit der Steuer (und dem Betriebsvermögen) kein Problem – das ist skuril.

Das ist nicht skurril - das hängt damit zusammen, dass einmal Eigentum vorliegt und einmal nicht, das sind einfach unterschiedliche Voraussetzungen.
Das das logisch richtig ist leuchtet mir ein. Durch den Kauf eines größeren Hauses sind mir Mehrkosten entstanden, die ich natürlich gegen Mietkosten abgewogen habe. Der richtige Vergleich wären aber Brutto-Kaufkosten gegen Netto-Mietkosten. Mieten wird also gegenüber kaufen steuerlich begünstigt. Ich empfinde das skuril.

Eine Art Mietmodell im eigenen Haus aufzubauen ist vermutlich nicht möglich...

Gruß,
Katrin
Severina
Beiträge: 1245
Registriert: 3. Dez 2017, 23:48

Re: Arbeitszimmer sinnvoll wg. Betriebsvermögen?

Beitrag von Severina »

"Entnahmen sind mit dem Teilwert, bei der fiktiven Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dies gilt aber nur für bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter, nicht für Nutzungsentnahmen.Teilwert ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzten würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. Dies führt zur Aufdeckung der stillen Reserven. Steuerpflichtiger Entnahmegewinn ist der gesamte Unterschiedsbetrag zwischen dem Entnahmewert und dem Buchwert des entnommenen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Entnahme."

Ob die auf die zu entnehmenden Räume anfallenden Schulden getilgt sind oder nicht, spielt keine Rolle. Werden die Räume entnommen, muss auch das Darlehen entnommen werden. Sowas wie "Tilgungskosten" gibt es nicht, wenn Tilgungsbeträge Kosten (im Sinne von gewinnmindernden Ausgaben) wären, müsste im Umkehrschluss die Auszahlung eines Darlehens eine gewinnerhöhende Einnahme sein.
taxpert
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Re: Arbeitszimmer sinnvoll wg. Betriebsvermögen?

Beitrag von taxpert »

KevinT hat geschrieben: Mit der Statusänderung meine ich die Zurückführung in das private Vermögen. Wie funktioniert das?
Ein Wirtschaftsgut (WG; hier: der eigenbetrieblich genutzte Teil des Grundstücks), dass zu mehr als 50% betrieblich genutzt wird, stellt notwendiges Betriebsvermögen (BV) dar und ist zwingend in der Bilanz bzw. im besonderen Verzeichnis nach §4 Abs.3 Satz 5 EStG auszuweisen.

Wird das WG zu mehr als 10%, aber maximal 50% zu eigenbetrieblichen Zwecken genutzt, kann es als gewillkürtes BV ausgewiesen werden. Es muss jedoch nicht dem Betrieb zugeordnet werden (Folge: z.B. eine Abschreibung). Unterschreitet bei einem vormals notwendigen BV die Nutzung die 50% Grenze, so verbleit es zunächst im BV. Es kann jedoch in diesem Fall unter Aufdeckung der bisher angefallenen stillen Reserven (Wertsteigerung plus geltend gemachte Abschreibung) in das Privatvermögen (PV) übernommen werden. Hierfür ist eine aktive Entnahmehandlung des Stpfl. notwendig. Soweit keine Bilanz, sondern nur eine EÜR vorliegt, bedeutet das, dass der Stpfl. dem FA tag genau mitteilen muss, dass das WG AB SOFORT nicht mehr dem BV angehört. Eine rückwirkende Meldung (... seit dem 31.12. 2015 ...) wirkt als Entnahme im Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung beim FA.

Zwei Sachen sind hier noch zu bedenken!

1.
KevinT hat geschrieben:mit meiner Familie ein Haus gekauft
Soweit das heißen soll, dass das Grundstück im Eigentum der Ehegatten steht, gehört dem Stpfl. natürlich auch jeweils nur die Hälfte eines jeden Zimmers!

2.
KevinT hat geschrieben:14,3%
Gemäß §8 EStDV braucht der Grundstücksteil NICHT als BV behandelt werden, wenn er weniger als 1/5 des gesamten Grundstücks UND weniger als 20.500 € wert ist. Wenn der Gesamtkaufpreis der Immo also weniger als 143.000 € (Alleineigentum) oder 286.000 € (Ehegatteneigentum) betragen hat, braucht der eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteil nicht als BV behandelt werden. Die Kosten könnte man trotzdem inkl. Abschreibung steuerlich geltend machen.
KevinT hat geschrieben: Mieten wird also gegenüber kaufen steuerlich begünstigt. Ich empfinde das skuril.
Nein, wird es nicht! Bei den Gewinneinkünften (L+F, Gewerbe, Selbständige) wird ein betriebswirtschaftlicher Ansatz unterstellt. Jeder Unternehmer wird bei der Entscheidung "mieten oder kaufen" auch die Werthaltigkeit bzw. Wertsteigerung mit einbeziehen. Die Gewinnermittlung erfolgt daher hier immer über den Betriebsvermögensvergleich. Daher sind Wertminderungen, die kleiner sind als die geltend gemachte Abschreibung bzw. Wertsteigerungen bei Verkauf/Entnahme/Betriebsaufgabe als Gewinn zu realisieren. Im Gegenzug kann der Unternehmer aber auch Wertminderungen, die sich nicht durch "normale" Abschreibung darstellen lassen, durch die Abschreibung auf den Teilwert steuerlich geltend machen.
KevinT hat geschrieben: Eine Art Mietmodell im eigenen Haus aufzubauen ist vermutlich nicht möglich...
Ein "in-sich-Geschäft", also ein Vertrag mit sich selber, ist bereits zivilrechtlich nicht möglich!

taxpert
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KevinT
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Re: Arbeitszimmer sinnvoll wg. Betriebsvermögen?

Beitrag von KevinT »

Hallo zusammen,
vielen Dank für die ausführlichen Antworten und Erklärungen. Ich glaube ich habe nun einiges verstanden.
taxpert hat geschrieben: Wird das WG zu mehr als 10%, aber maximal 50% zu eigenbetrieblichen Zwecken genutzt, kann es als gewillkürtes BV ausgewiesen werden. Es muss jedoch nicht dem Betrieb zugeordnet werden (Folge: z.B. eine Abschreibung).
Wenn ich das richtig verstehe, dann kann ich ab einer Nutzung von >50% die Räume als WG betrachten, ab einer Nutzung von >90% muss ich diese als WG betrachten. Die steuerlichen Konsequenzen bleiben in beiden Fällen gleich.
taxpert hat geschrieben: Gemäß §8 EStDV braucht der Grundstücksteil NICHT als BV behandelt werden, wenn er weniger als 1/5 des gesamten Grundstücks UND weniger als 20.500 € wert ist. Wenn der Gesamtkaufpreis der Immo also weniger als 143.000 € (Alleineigentum) oder 286.000 € (Ehegatteneigentum) betragen hat, braucht der eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteil nicht als BV behandelt werden. Die Kosten könnte man trotzdem inkl. Abschreibung steuerlich geltend machen.
Das hatte ich auch gelesen. Wäre es in dem Zusammenhang nicht logisch auch nur von halber Fläche auszugehen und somit 28,6% von meiner Hälfte anzunehmen?
286.000 € als reiner Gebäudewert wird vermutlich nichts. Dennoch: Wer ermittelt den Gebäudewert und wie?
taxpert hat geschrieben:Bei den Gewinneinkünften (L+F, Gewerbe, Selbständige) wird ein betriebswirtschaftlicher Ansatz unterstellt.
Bedeutet das im Umkehrschluss, dass Wert-erhaltende oder Wert-steigernde Maßnahmen am Haus ebenfalls (anteilig) steuerlich absetzbar wären?

Scheinbar bleibt aber auch für mich stehen, dass es sich nicht lohnt und ich die Räume >10% privat nutzen werde.

Gruß,
Katrin
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