Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften

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Semantics
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Registriert: 24. Jan 2021, 10:45

Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften

Beitrag von Semantics »

Wir haben ja nun seit dem 1.1.2021 die Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften auf 20.000 Euro pro Jahr, und so wie es momentan aussieht können auch Optionsscheine davon betroffen sein.
Es geht bei meiner Frage nicht darum wie sinnig diese Regel ist (der Sinn der Regelung erschließt sich mir nicht, aber ich bin ja auch kein Politiker - die allerdings den Sinn der Regel bisher auch nicht erklärt haben), sondern welche Gegenstrategien man verwenden kann.

Wertpapiergewinne können im Rahmen einer Schenkung unterhalb der Freibeträge steuereffizient verschenkt werden (z.B., an den Ehepartner, Kinder, etc.).
Das macht insbesondere dann Sinn, wenn der Steuersatz des Beschenkten unterhalb des Abgeltunssteuersatzes liegt (zum Beispiel bei studierenden Kindern, die ansonsten keine weiteren Einkünfte haben).

Die Frage, die ich mir stelle, ist: Können auch Verluste verschenkt werden?
Folgendes Szenario:

Ein Anleger Herr X (verheiratet mit Frau Y) hat mit Optionsschein A 40.000 Euro Gewinne, mit Optionsschein B 40.000 Euro Verluste.
Realisiert er diese Gewinne und Verluste kann er 20.000 Euro der Verluste mit den Gewinnen verrechnen, kann 20.000 Euro der
Verluste vortragen und muss auf 20.000 Euro der Gewinne Kapitalertragssteuer+Soli (+KiSt) (d.h., über 5000 Euro) zahlen.
Obwohl in Summe kein Gewinn angefallen ist, muss Herr X Steuern zahlen.

Er könnte aber auch je die Hälfte der Optionsscheine A und B an seine Frau Y verschenken und auf Ihr Depot übertragen.
Realisieren nun Herr X und Frau Y die Gewinne und Verluste, könnte jeder von den beiden die 20.000 Euro Verluste verrechnen, sodass bei keinem von beiden Abgeltungssteuern anfallen (als zusammen veranlagtes Paar haben Herr X und Frau Y also über 5000 Euro an Steuern gespart).

Kann das jemand bestätigen?
Gibt es noch andere Strategien?

Mit freundlichen Grüssen!

S.
Zuletzt geändert von Semantics am 24. Jan 2021, 16:20, insgesamt 2-mal geändert.
reckoner
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Registriert: 21. Jun 2017, 00:21

Re: Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften

Beitrag von reckoner »

Hallo,

grundsätzlich siehst du das wohl richtig, man kann auch (unrealisierte) Verluste verschenken. Hab' ich selbst schon gemacht.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob die 20.000 Euro bei Ehepaaren nicht auch verdoppelt wird (wie etwa der Sparer-Pauschbetrag). Wenn das der Fall ist bringt die Schenkung an die Ehefrau keinen Vorteil.

Stefan
reckoner
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Re: Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften

Beitrag von reckoner »

Hallo nochmal,

ein Punkt den ich noch nicht angesprochen hatte: die Schenkungsteuer (Freibetrag etwa bei Kindern nur 20.000 Euro - EDIT: natürlich 400.000).

Und maßgeblich ist da der aktuelle Wert, nicht die potentielle Steuer oder der Gewinn bzw. Verlust der da mit drinsteckt (selbst ein Totalverlust hat niemals einen negativen Wert).

Beispiel: 2 Posten, jeweils für 200T gekauft. Nun hat sich der eine verdoppelt, der andere steht bei annähernd Null. Bei einer Schenkung wären das dann schon 400T, obwohl das Ganze einkommensteuertechnisch auf Null hinauslaufen würde.

Stefan
Zuletzt geändert von reckoner am 24. Jan 2021, 16:42, insgesamt 1-mal geändert.
Semantics
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Re: Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften

Beitrag von Semantics »

Wenn Ehepartner tatsächlich die beschränkte Verlustverrechnung zusammenlegen können, kann man sich die Klimmzüge mit dem Verschenken ersparen.
Ich durchforste mal das Gesetz, habe bisher aber keinen Hinweis darauf gesehen.

Darüber hinaus kann das Verschenken an die Kinder sinnvoll sein.
Wenn die Eltern an die Kinder verschenken ist der steuerliche Freibetrag 400.000 Euro alle 10 Jahre.
Wenn Kinder an die Eltern schenken sind es dann nur 20.000 Euro Freibetrag, d.h., ein eventuelles Zurückschenken wird so nicht gehen.
Aber vielleicht will man ja zum Vermögensaufbau der Kinder beitragen, und Unterhalt müsste man ja vielleicht sowieso zahlen.

Gibts noch Ideen?

Ebenfalls Stefan
Zuletzt geändert von Semantics am 24. Jan 2021, 16:19, insgesamt 1-mal geändert.
Semantics
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Re: Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften

Beitrag von Semantics »

Ach ja: Das beim Verschenken von Wertpapieren der Einkaufwert maßgeblich für die Anrechnung auf den Schenkungsfreibetrag sein sollte würde ich ebenfalls logisch finden - schließlich muss der Gewinn dann ja beim Beschenkten versteuert werden.
Nur: alle Quellen die ich gefunden habe sagen aus, dass der komplette Betrag (also Einkaufswert und Gewinn zum Schenkungszeitpunkt) verrechnet wird.
Dass müsste dann allerdings auch für den Verlust gelten, aber vielleicht hat sich der Gesetzgeber noch mehr asymmetrische Rechnungen einfallen lassen, gegen die man klagen könnte.

Nachtrag: Ich habe vermutlich deinen Beitrag missverstanden, ich denke jetzt wir sagen das gleiche.

Danke und alles Gute,

Ebenfalls Stefan
reckoner
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Re: Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften

Beitrag von reckoner »

Hallo,

du hast natürlich recht, Freibetrag bei Schenkung an Kinder ist 400.000 (und nicht 20.000 wie von mir geschrieben - ich korrigiere das gleich noch). Und zwar an jedes Kind und von jedem Elternteil.
Wenn Kinder an die Eltern schenken sind es dann nur 20.000 Euro Freibetrag, d.h., ein eventuelles Zurückschenken wird so nicht gehen.
Richtig. Und zurückschenken kann schnell Gestaltungsmissbrauch sein, bei minderjährigen Kindern noch problematischer.
Aber wenn die Kinder das Vermögen irgendwann einmal sowieso bekommen (sollen), warum dann nicht teilweise früher? Da spart man womöglich gleich doppelt Steuern.
Ach ja: Das beim Verschenken von Wertpapieren der Einkaufwert maßgeblich für die Anrechnung auf den Schenkungsfreibetrag sein sollte würde ich ebenfalls logisch finden - schließlich muss der Gewinn dann ja beim Beschenkten versteuert werden.
Ja, logisch mag das sein, ist aber nicht so, es zählt der aktuelle Wert.
Sonst wären beispielsweise immer weiter verschenkte oder vererbte Immobilien ja praktisch nichts wert. :D

Stefan
Semantics
Beiträge: 6
Registriert: 24. Jan 2021, 10:45

Re: Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften

Beitrag von Semantics »

Hier meine Ergebnisse der Recherche zu dem Thema, ob Ehepartner den doppelten Verlustbetrag verwenden können.
Zu dem Thema sind in mehreren Foren (auch hier, siehe https://forum.steuerberaten.de/viewtopic.php?f=27&t=11829) Fragen gestellt worden, es gab aber keine Antwort.

Ich denke man kann keine 40.000 Euro bei gemeinsamer Veranlagung ansetzen.
Begründung:

Auf:
http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl119s2875.pdf

findet man die Änderung von Ende 2019 (Artikel 5, Seite 2884), in der die Verlustbeschränkung (da noch mit 10.000 Euro) als Gesetz verkündet wird.

In Artikel 5 ist von einer verdoppelten Verlustverrechnung bei Ehepartnern nichts zu sehen.

Im Gegensatz hierzu im Gesetz zum Sparerpauschbetrag:
https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__20.html

Hier steht: "Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, wird ein gemeinsamer Sparer-Pauschbetrag von 1 602 Euro gewährt."

Dadurch, dass eine ähnliche Formulierung im Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung fehlt, würde ich den Schluss ziehen, dass diese nicht gewährt wird.

Falls jemand eine andere juristische Argumentation weiß: her damit.

Ergo: Verluste (und Gewinne) an den Ehegatten verschenken, um dessen 20.000 Euro auszunutzen.
Wenn es dann immer noch nicht ausreicht: Weitere Verluste an Kinder verschenken.

Und Klagen gegen das Gesetz unterstützen, sowie vielleicht Parteien wählen, die über die Gesetze, die sie vorschlagen und verabschieden, nachdenken.
Semantics
Beiträge: 6
Registriert: 24. Jan 2021, 10:45

Re: Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften

Beitrag von Semantics »

Weitere Informationen zur Verfassungsmässigkeit der Verlustbeschränkung:


Auf https://www.bundestag.de/resource/blob/707848/80b5fc65cd4b793bc1f07d2ea59ec1e6/WD-4-066-20-pdf-data.pdf

findet man eine Arbeit des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur
"Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Beschränkungen der Verlustverrechnung bei Termingeschäften und Ausfällen von Kapitalforderungen"

Zitat:

Zu:
3. Vereinbarkeit mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit

"Der Gesetzgeber begründet seine Entscheidung bezüglich § 20 Abs. 6 S. 5 EStG damit, dass es
sich um Geschäfte handelt, die „spekulativ“ seien, bei denen „einerseits hohe Gewinne und andererseits der Totalverlust der Anlage eintreten könnten“.18 Daneben schützt § 20 Abs. 6 S. 5
EStG auch den öffentlichen Haushalt vor finanziellen Risiken, da der Haushaltsgesetzgeber damit
fehlende Steuereinkünfte wegen zu berücksichtigender Verluste ausschließen kann. Die entsprechende Begründung war wohl schon in Bezug auf § 20 Abs. 6 S. 4 EStG tragfähig.19 Willkür kann
dem Gesetzgeber somit wohl nicht vorgeworfen werden. Sowohl die Gewährleistung der Planungs- und Gestaltungsfreiheit als auch die Eindämmung von Spekulationsgeschäften sind sachliche Erwägungen.20 Ob es sich dabei um „besondere sachliche Gründe“ handelt, erscheint nicht
unwahrscheinlich, kann aber nicht abschließend beantwortet werden. "


Zu:
4. Ungleichbehandlung von Verlusten von Kapitalvermögen zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuer

Zitat:
"Insofern ist fraglich, ob die gewerbliche Tätigkeit einen hinreichend sachlichen Differenzierungsgrund für die Nichtanwendung von § 20 Abs. 6 S. 5 und 6 EStG darstellt. Ein innerer Zusammenhang der von § 20 Abs. 6 S. 5 und 6 EStG erfassten Einkunftsarten und nicht-gewerblicher Tätigkeit lässt sich allerdings nicht erkennen. Die Gefahr einer Verlagerung spekulativer Geschäfte vom privaten in den gewerblichen Bereich wurde auch vom Gesetzgeber gesehen. § 15 Abs. 4 S.
3 EStG hat deshalb gerade die Funktion, die Umgehung von Verlustausgleichsbeschränkungen zu verhindern.28 Konsequenterweise müsste somit auch hinsichtlich der neu eingefügten Beschränkungen nach § 20 Abs. 6 S. 5 und 6 EStG ein Gleichlauf stattfinden. Sollte man dementsprechend
zu dem Ergebnis kommen, eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3
Abs. 1 GG liege vor, könnte der Gesetzgeber diesen Missstand wohl entweder durch die Anpassung von Art. 20 Abs. 6 EStG oder § 15 Abs. 4 EStG beseitigen. "


Meine Interpretation: Es ist möglich, dass die Verlustbeschränkung verfassungsgemäss ist, aber nichts genaues weiss man nicht.
Die Begründung für die Verlustbegrenzung erscheint mir aber unlogisch:
Der Gesetzgeber will einerseits:
1) die Eindämmung von Spekulationsgeschäften.
(Warum? Die Eindämmung ist kein Selbstzweck - jede Aktie wird mit der Spekulation auf Wertzuwachs erworben. In den Wirtschaftswissenschaften ist Spekulation etwas positives, da der Markt informiert wird. Was ist denn überhaupt ein Spekulationsgeschäft?
Ist das ein unbestimmter Rechtsbegriff?)
2) Die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand schützen.

Beide Begründungen zusammengenommen ergeben für mich keinen Sinn - wenn es keine Spekulationsgeschäfte mehr gibt (also die Spekulationsgeschäfte eingedämmt werden), gibt es auch keine Steuereinnahmen. Damit hat der Gesetzgeber das Gegenteil erreicht, was er wollte - diese Steuereinnahmen zu schützen. Wieso könnte diese beiden Punkte zusammen eine zulässige Begründung sein? Oder ist die Sinnhaftigkeit von Gesetzesbegründungen nicht notwendig? Dann könnte da genausogut irgendein zufälliger Satz stehen. Man muss hoffen, dass das Verfassungsgericht diese Art von Pseudobegründungen durchschaut.


Bzgl. der Ungleichbehandlung von Verlusten von Kapitalvermögen zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuer könnte Handlungsbedarf bestehen, dieser könnte sein, dass die Verlustbeschränkung bei der Körperschaftsteuer ebenfalls beschränkt wird :-)

Das wird bestimmt interessant zu beobachten, welche Auswirkungen dies auf den internationalen Wettbewerb und Export hat - wenn deutsche Firmen z.B. sich nicht mehr effektiv gegen Währungsschwankungen mittels Termingeschäfte absichern können. (Wie glücklich darüber z.B. eine Siemens wäre? Aber vermutlich würden die größeren Konzerne die Absicherungsgeschäfte in Ländern mit sinnvolleren Gesetzen verlagern)


Jedenfalls stellt sich mir die Frage, wie weit die Politiker, die sich diese Begründungen ausgedacht haben, diese wirklich durchdacht haben.
Herr, schmeiß Hirn vom Himmel. Oder besser noch: lass die Wähler Politiker mit Hirn wählen.

Nachtrag: eine weitere Diskussion dieser Arbeit des Wissenschaftlichen Dienstes ist hier:

https://www.wallstreet-online.de/diskussion/1317120-3071-3080/tradings-steuerregel

Weitere Informationen über eine eingereichte Verfassungsklage: https://www.youtube.com/watch?v=3RCWlXUKt2Y

Kritik des Bundesrats Mitte der Seite 21 bis 22 in diesem Dokument: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0501-0600/503-1-20.pdf?__blob=publicationFile&v=1&fbclid=IwAR0DD6PS5b_B4WWcLEpL-e-OAUaDPbuxtqxLFPbf0iFUf8Cu4j2YH16Rm0Q
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