Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Ich hab da mal eine Frage zu ...
Antworten
Guellepumpe62
Beiträge: 5
Registriert: 26. Mär 2021, 14:20

Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von Guellepumpe62 »

Hallo und guten Tag

Folgende Situation:

Ein Ehepaar ist seit vielen Jahren angestellt, er Vollzeit und Sie hat eine 3/4-Stelle. Steuerklasse 3/5, gemeinsam veranlagt.
So lange die Kinder noch berücksichtigt wurden, hatte das Paar jedes Jahr eine Steuerrückerstattung im vierstelligen Bereich. Seit ein paar Jahren sind die Kinder steuerlich nicht mehr relevant. Trotzdem gab es jedes Jahr eine Rückerstattung von mehreren hundert Euro, was wohl hauptsächlich auf seine Pendlerpauschale zurückzuführen ist.
Da Beide im vergangenen Jahr längere Zeit Krankengeld bezogen haben (Sie über sechs Monate und er fast drei), gab es zum ersten Mal überhaupt einen Bescheid für 2020 über eine Nachzahlung in Höhe von knapp 250 Euro. So weit, so gut...
Das Finanzamt hatte jetzt aber nichts Besseres zu tun, als gleich auch noch einen Steuerbescheid für 2021 zu erlassen und unbefristet eine Steuervorauszahlung von fast 800(!) Euro jährlich festzulegen.
Wie kann so etwas sein??? Beide gehen wieder ganz normal arbeiten, so dass am Ende des Jahres auch wieder eine Rückerstattung zu erwarten ist. Die wird wegen der Erhöhung der Pendlerpauschale sogar noch etwas höher ausfallen, als bisher.
Hat das seine Richtigkeit, dass das Finanzamt nach so einem (hoffentlich) einmaligen Ereignis gleich eine Vorauszahlung festlegt? Und warum ist diese Vorauszahlung dreimal so hoch wie die aktuelle Nachzahlung?
Das Paar kann nicht mal eben fast 200 Euro pro Quartal aus dem Ärmel schütteln, auch wenn sie am Jahresende wieder erstattet werden.
Natürlich wurde umgehend Widerspruch eingelegt mit Hoffnung auf eine Rücknahme des Bescheides. Welche Möglichkeiten gibt es, wenn der Widerspruch nicht akzeptiert wird? Kann man dann gegen den Widerspruchsbescheid nochmals Widerspruch einlegen?
Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht?
Vielen Dank im Voraus für Eure Tipps...
muemmel
Beiträge: 4826
Registriert: 7. Feb 2014, 15:08

Re: Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von muemmel »

Es heißt nicht Widerspruch, sondern Einspruch. Wird dem Einspruch nicht abgeholfen, kann man vor das Finanzgericht gehen. Das ist dann allerdings nicht mehr gratis: Dort zahlt der Verlierer die Verfahrenskosten.
Guellepumpe62
Beiträge: 5
Registriert: 26. Mär 2021, 14:20

Re: Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von Guellepumpe62 »

muemmel hat geschrieben: 26. Mär 2021, 14:44 Es heißt nicht Widerspruch, sondern Einspruch.
Ich hoffe, das tut der Sache keinen Abbruch :D
taxpert
Beiträge: 790
Registriert: 19. Jun 2017, 14:51

Re: Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von taxpert »

Ja, das FA hat grundsätzlich und auch bei der Höhe richtig gehandelt.

Ein Einspruch wäre überhaupt nicht notwendig gewesen, denn die Festsetzung von Vorauszahlungen steht einer Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Daher können sie ohne Einhaltung von Fristen jederzeit geändert werden. Wahrscheinlich hätte also ein einfacher Anruf bereits gereicht und die Vorauszahlungen wären auf null herabgesetzt worden.

An die Begründung ist dabei kein besonders hoher Maßstab anzulegen.

Ein kleines Aber kommt aber noch, egal ob nun Einspruch oder sonstiger Antrag!

Sollten in 2021 Umstände eintreten, die zu einer Nachzahlung führen könnten -also z.B. wieder Krankengeld, Kurzarbeitergeld, oder ähnliches- dann sind Sie verpflichtet ggf. auch die Heraufsetzung der ESt-Vorauszahlungen zu beantragen! Ansonsten wäre der Straftatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht und die abgegebene Jahreserklärung eine -hoffentlich!- strafbefreiende Selbstanzeige.

taxpert
"I'm the taxman and you are working for no one but me!

Taxman, The Beatles, Album Revolver
Guellepumpe62
Beiträge: 5
Registriert: 26. Mär 2021, 14:20

Re: Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von Guellepumpe62 »

Vielen Dank für die Infos...das hilft schon weiter.
Mich störte an dem Vorgang hauptsächlich auch die m.E. völlig überzogene Höhe der Vorauszahlungen. Aber wenn das so seine Richtigkeit hat, dann ist das wohl so.
Wenn ich richtig informiert bin, ist man doch ohnehin zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet, wenn man Krankengeld bezieht. Insofern kann der Verdacht der Steuerhinterziehung doch eigentlich gar nicht erst aufkommen, oder?
LG
muemmel
Beiträge: 4826
Registriert: 7. Feb 2014, 15:08

Re: Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von muemmel »

Taxpert schrieb ja nicht, das habe "seine Richtigkeit", sondern dass Sie das Problem mit einem Anruf ("Antrag auf schlichte Änderung") aus der Welt schaffen können - probieren Sie das doch einfach nächste Woche mal aus.
taxpert
Beiträge: 790
Registriert: 19. Jun 2017, 14:51

Re: Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von taxpert »

Guellepumpe62 hat geschrieben: Insofern kann der Verdacht der Steuerhinterziehung doch eigentlich gar nicht erst aufkommen, oder?
Eine Steuer ist nicht dann hinterzogen wen sie nicht oder nicht in voller Höhe festgesetzt wird, sondern auch wenn sie nicht rechtzeitig festgesetzt wird! Waren bisher keine Vorauszahlungen (VZ) festgesetzt oder ergibt sich im Laufe des Jahres dass die VZ zu niedrig sind, besteht keine Verpflichtungen das FA zu informieren.

Anders sieht es aus, wenn die VZ auf Antrag -auch Einspruch!- herab gesetzt werden. Dieser Antrag ist eine Erklärung im Sinne des §153 AO. Danach muss eine Erklärung dem FA gegenüber geändert werden, wenn sie sich als falsch heraus stellt. Dabei spielt es auch keine Rolle wenn die Erklärung zum Zeitpunkt der Abgabe richtig und nach besten Wissen und Gewissen abgegeben wurde!

taxpert
"I'm the taxman and you are working for no one but me!

Taxman, The Beatles, Album Revolver
Guellepumpe62
Beiträge: 5
Registriert: 26. Mär 2021, 14:20

Re: Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von Guellepumpe62 »

muemmel hat geschrieben: 26. Mär 2021, 18:40 Taxpert schrieb ja nicht, das habe "seine Richtigkeit", sondern dass Sie das Problem mit einem Anruf ("Antrag auf schlichte Änderung") aus der Welt schaffen können - probieren Sie das doch einfach nächste Woche mal aus.


Der Einspruch ist zwar schon raus, aber ein Anruf kann ja nicht schaden... ;)
muemmel
Beiträge: 4826
Registriert: 7. Feb 2014, 15:08

Re: Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von muemmel »

Wenn man sich am Telefon geeinigt hat, bietet man natürlich die Rücknahme des Einspruchs an - der ist ja dann nicht mehr nötig.
Guellepumpe62
Beiträge: 5
Registriert: 26. Mär 2021, 14:20

Re: Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von Guellepumpe62 »

muemmel hat geschrieben: 27. Mär 2021, 13:25 Wenn man sich am Telefon geeinigt hat, bietet man natürlich die Rücknahme des Einspruchs an - der ist ja dann nicht mehr nötig.
Das ist auf jeden Fall einen Versuch wert, vielen Dank 👍
reckoner
Beiträge: 1021
Registriert: 21. Jun 2017, 00:21

Re: Unbegründeter Vorauszahlungsbescheid

Beitrag von reckoner »

Hallo,

ein kleine Erklärung möchte ich noch anschließen: Die Festsetzung einer Vorauszahlung wird nicht aktiv vorgenommen, das ist ein automatischer Vorgang.

Vorteil: Mit einem Änderungswunsch kritisiert man in einem solchen Fall niemanden. Dem Sachbearbeiter dürfte es leichter fallen, dem Wunsch stattzugeben, er muss es nicht einmal prüfen.

Stefan
Antworten